ARD-Doku

"Merkel-Jahre – Am Ende einer Ära": ein Rückblick

von Hans Czerny

Nach 16 Jahren endet die lange Kanzlerschaft von Angela Merkel. Was wird bleiben? Eine Bestandsaufnahme on der ARD widmet sich den großen Themen der Merkel-Zeit.

ARD
Merkel-Jahre – Am Ende einer Ära
Dokumentation • 30.08.2021 • 20:15 Uhr

"Krise, das ist ihr Ding", sagt Winfried Kretschmann gewohnt jovial gleich zu Beginn des Films "Merkel-Jahre – Am Ende einer Ära" im Ersten. "Die guckt die Welt an und sagt: 'Was muss ich heute tun?" Angela Merkel, oft belächelt und als "Kohls Mädchen" oder gar "die Mutti" tituliert und karikiert, zeigte in Wahrheit all die Jahre über Widerstandskraft und Durchhaltevermögen. Auf ein knappes Wahlergebnis folgten 16 Regierungsjahre. Es galt, die Herausforderungen großer Krisen zu meistern. Viele politische Weggefährten bezeugen im Film: Angela Merkel konnte das, manchmal mit ihrem wachen, ins Detail verliebten Sachverstand, manchmal mit der Bewahrung der Ruhe und der ihr eigenen, nicht selten ausweichenden Gewandtheit und dem bescheidenen Pathos ihrer Rede.

Die ARD-Doku geht bei der Rückschau nicht rein chronologisch vor, also von 2005 bis zum Sendetermin im Sommer 2021. Vom Vertrag der Großen Koalition bis zum Scheitern in Afghanistan. Letzteres mit der "bitteren Erkenntnis", die Ziele "in Zukunft kleiner fassen" zu müssen. Sie versucht stattdessen, die Merkel-Geschichte anhand der großen Themen und der "historischen Wegmarken" zu erzählen, von denen es nicht wenige gab. Interviews mit Wegbegleitern, Freunden und politischen Gegnern machen Merkels Regierungsjahre nebst Nahaufnahmen noch einmal lebendig.

Merkels großes Anliegen war der Zusammenhalt Europas, bei der Bankenkrise 2008 stand sie ihre Frau und sicherte erstaunlich mutig den Sparern die Sicherung ihrer Bankguthaben zu, als viele die Banken stürmten. Bei der Flüchtlingskrise 2015 fand sie angesichts von 15.000 Flüchtlingen, die zumeist über Ungarn kamen, die berühmt gewordenen drei Worte: "Wir schaffen das", die sie häufig wiederholte. Die Bewunderung in aller Welt war ihr gewiss, ebenso wie es die Anfeindungen im eigenen Land waren. In der anhaltenden Pandemiekrise agierte sie zurückhaltend, als eine von 17 im Clinch mit den Landesfürsten. Für den Eiertanz an Ostern 2021 mit dem Rückzug vom verschärften Lockdown entschuldigte sie sich. Es sei "einzig und allein" ihr Fehler gewesen.

Doch für ihre Haltung während all den Krisen bekommt Merkel im Film viel Lob, und das nicht nur von ihrem Fan, dem Luxemburger Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker, der die schönsten Abschiedsworte für sie findet. Kritik wird auch von Gegnern nur sparsam geäußert. Ergreifend die Szene, in der sie eine junge Emigrantin streichelt, die sich unter Tränen über ihren Aufenthalt im Auffanglager beschwert. Ohnehin kann die Doku im Ersten, kurz vor der Wahl am 26. September und inmitten einer – wiederum – schweren Krise des Westens, nur eine Momentaufnahme sein. Das Ende der Afghanistan-Mission entpuppt sich als Desaster.

Das Fazit der Merkel-Jahre – vieles befindet sich beim Abschied im Status quo – wird erst später gezogen werden. Wahrscheinlich aber hat Winfried Kretschmann mit seinem Krisen-Urteil jedoch völlig recht.

Merkel-Jahre – Am Ende einer Ära – Mo. 30.08. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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