Film bei ARTE

"Geliefert": Bjarne Mädel als Paketbote in Nöten

von Wilfried Geldner

Überarbeitet, unterbezahlt, alleinerziehend: Paketbote Feldmann (Bjarne Mädel) hat es nicht leicht. ARTE zeigt den sozialkritischen Film, der vor allem von Mädels nuanciertem Spiel lebt, erstmals im Free-TV.

ARTE
Geliefert
Drama • 27.08.2021 • 20:15 Uhr

Mit dem gelben Pfeil und drei Buchstaben auf dem Rücken schnauft der Paketzusteller Volker, den sie alle nur mit seinem Nachnamen "Feldmann" nennen, die Treppen hoch. Er hat alle Hände damit zu tun, seine Pakete loszuwerden. Nicht selten muss er sich von allerlei Nachbarn doof anreden lassen. Feldmann zusehen beim Treppensteigen, das bedeutet auch, ihn zu beobachten, wie er die soziale Leiter immer weiter runtersteigt, bis hin zur Essensbeschaffung aus der Mülltonne des Supermarkts. Die Miete will bezahlt sein samt Nebenkosten, und zu allem Überfluss will Sohn Benny auch noch nach Mallorca auf Klassenfahrt.

Dieses Muster eines unaufhörlichen Abstiegs ins Nichts wird in Jan Fehses Autorenfilm "Geliefert" (ARTE / BR) noch nicht einmal durch die Liebe von Vater und Sohn zum Fußball aufgehalten. Den Job als Trainer hat Feldmann wegen Beleidigung des Schiedsrichters und der folgenden Strafe verloren, Sohn Benny (Nick Julius Schuck) mag auch nicht mehr, ihm wurde die rote Karte gezeigt.

Dass das alles nicht zum reinen Rührstück versackt, verdankt der dezidiert sozialkritische Film vor allem dem von Bjarne Mädel zurückhaltend gespielten Helden, den wir nun doch freundschaftlich Volker nennen. Wenn er von seinem Paket-Vorgesetzten gequält und zu schnellerer Arbeit aufgefordert wird, ist der Betrachter selbstredend an Volkers Seite. Auch wird der Zuschauer ganz sicher sofort alle Pakete annehmen: Wer wollte schon zu jenen Kotzbrocken gehören, die hier so abweisend maulend in ihren Türrahmen stehen? Freundliches Anfragen wird hier nicht gedankt. "Ich darf nichts nehmen", sagt eine Dreijährige sehr bestimmt, die Volker fragt, ob sie vielleicht "Frau Meier" sei.

Autor Jan Fehse setzt darauf, dass man die hanebüchenen Umstände im Paketzustellerwesen kennt – die schlechte Bezahlung, mangelnde Rechte, den Überstundendruck. Trotzdem hätte ein genauerer Blick auf Volkers Arbeitswelt für Farbe und Information gesorgt – es muss ja nicht gleich so zugehen wie in den Arbeiterfilmen der 70er-Jahre. Einmal aber blitzt Volkers Menschlichkeit auf: Einer sehr alten Dame, Frau Stolte (Ingrid Resch), hilft er mit Rat und Tat beim Stromausfall. Volker ist kein schlechter Mensch. Das Unglück hat ihn eben nach einer Schiedsrichterbeleidigung getroffen. Danach wurde er als Fußballtrainer entlassen.

Ein Kreuzweg ins Nichts

Mehr noch als mit dem schlimmen Paketjob hat Volker mit Benny, seinem Sohn, zu kämpfen. Für ihn lässt sich die Ohnmacht des Vaters nur schwer ertragen. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen beim Geldmangel wirken allerdings plakativ. Trotz Bitten des Vaters weigert sich Benny, noch einmal in der Vereinsmannschaft mitzuspielen. Und als Volker mit seiner Freundin schließlich den Vater in die Mülltonne des Supermarkts klettern sieht, gibt das der Beziehung den Rest.

Es geht immer noch ein wenig tiefer in Volkers und Bennys Leben. Der Entzug des Führerscheins droht, zudem wird der Vater auch noch bei einem illegalen Nebenjob (Rauchmelder kontrollieren!) ertappt und in der Folge fristlos entlassen. Ein Kreuzweg ins Nichts, der kaum getoppt werden kann.

Aber ein paar schöne Momente gibt es auch in diesem von großer Tristesse bestimmten Film. Beim Ableben der alten Dame klaut Volker in deren Wohnung ein wenig Erspartes, packt aber auch ihre Katze in einen Karton. Er wird vom Hausmeister ertappt – und wird mit dessen schweigendem Einverständnis belohnt. Später wird er heimlich die Asche der alten Dame auf dem Friedhof neben ihrem verstorbenen Mann begraben.

Fehse und sein Kameramann Michael Wiesweg haben die Innenräume meist abgedunkelt und die Blicke verstellt. So wird der Eindruck einer fortdauernden Gefangenschaft erweckt. Bjarne Mädel spielt zuletzt unter einer Basecap mit anonym überschattetem Gesicht. Doch wer glaubt, das Unglück nehme nun endgültig seinen Lauf, wird geradezu enttäuscht: Selbst in diesem traurigen Lebenslauf kann es eine Wendung zum Besseren geben.

Geliefert – Fr. 27.08. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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