Er verstarb vor fünf Jahren

George Michael: ein unvollendeter Ausnahmekünstler

von Jasmin Herzog

Er gehörte zu den erfolgreichsten Sängern seiner Zeit und blieb doch ein unvollendeter Superstar: Am 25. Dezember 2016 starb George Michael.

"Last Christmas, I gave you my heart / But the very next day, you gave it away / This year, to save me from tears / I'll give it to someone special " – Jeder kann diese Zeilen mitsingen, und wie immer seit mehr als 35 Jahren brachte George Michaels Welthit "Last Christmas" auch in dieser Weihnachtszeit die Menschen überall, wo das Fest der Liebe gefeiert wird, zum Schmachten. Ausgerechnet an Weihnachten, am 25. Dezember 2016, ist der Popstar viel zu jung gestorben. George Michael wurde nur 53 Jahre alt.

Er sei "friedlich zu Hause entschlafen", hieß es damals in einem ersten Statement seines Pressesprechers. Als Todesursache gab sein langjähriger Manager Michael Lippman zunächst Herzstillstand an. Eine Obduktion ergab später gleich mehrere Herzleiden; zudem hatte Michael an einer Fettleber gelitten. Fünf Jahre liegt der tragische Tod des Superstars inzwischen zurück. "Last Christmas" von Wham! hören ist seitdem etwas anderes, immer schwingt die bittersüße Erinnerung an einen echten Ausnahmekünstler mit, der noch so viel mehr hätte erreichen können. Der Musikwelt bleibt der Mann, der den Pop der 80er-Jahre entscheidend mitprägte und damals auch als Stilikone verehrt wurde, aber nicht nur wegen dieses einen Liedes in Erinnerung.

Der am 25. Juni 1963 geborene Sohn einer Britin und eines griechisch-zypriotischen Vaters begann seine Karriere mit seinem Schulfreund Andrew Ridgeley. Beide gründeten 1981 das Pop-Duo Wham!. Der Durchbruch gelang 1984 mit dem Hit "Wake Me Up Before You Go Go". Ein Jahr darauf folgte der Weihnachtsklassiker "Last Christmas". Nach der Auflösung von Wham! 1986 blieb George Michael als Solokünstler erfolgreich. Das Album "Faith" (1987) brachte mit dem Titelsong, "Father Figure", "One More Try" und "Monkey" allein vier Nummer-eins-Hits hervor. Es wurde mit einem Grammy ausgezeichnet. Insgesamt verkaufte Michael in seiner Karriere fast 100 Millionen Alben.

Spekulationen und erschreckende Meldungen um seinen gesundheitlichen Zustand begleiteten George Michael in den letzten Jahren seines Lebens immer wieder. 2011 wäre er beinahe an einer Lungenentzündung gestorben, und auch, als er im Mai 2013 in einen – zugegeben seltsamen – Unfall verwickelt war, war die mediale Aufregung groß: Wollte der Sänger Selbstmord begehen, als er auf einer Autobahn aus der Beifahrertür eines Range Rovers fiel? Wie schwer waren seine Verletzungen? Wer war bei ihm? Die näheren Umstände blieben ungeklärt. Doch schnell hieß es, ihm gehe es gut, es bestehe keinerlei Anlass zur Sorge. Trotz seiner offenherzigen, ehrlichen und meinungsstarken Art ließ das Verhalten des Superstars – bewusst oder unbewusst – immer wieder genug Raum für Spekulationen.

Eines der beliebtesten Gerüchte war dabei noch am einfachsten zu dementieren. Immer wieder gab es Spekulationen um eine mögliche Wham!-Reunion. Schließlich war es das Duo, mit dem der in London geborene Georgios Kyriakos Panagiotou zu George Michael wurde. Aber auch wenn er seinen anfänglichen Ruhm, seinen Ruf als feuchter Teenie-Schwarm dem hedonistischen ("Wake Me Up Before You Go-Go", "Club Tropicana") und kitschigen ("Last Christmas") 80er-Jahre-Pop von Wham! verdankte, schloss George Michael eine Wiedervereinigung mit seinem damaligen Duo-Partner Andrew Ridgeley kategorisch aus. Wham! seien auch eine Frage des Alters, erklärte Michael dazu. Das überschwängliche Gefühl der Jugend könne man nicht einfach so wiederherstellen, deswegen blieben "die weißen Shorts definitiv im Schrank" und Wham! "eine sehr schöne Erinnerung".

Nach dem Outing wirkte er wie befreit

Doch auch die Erinnerungen an George Michael, den Solo-Superstar, verblassten langsam. An den Sänger, der sich mit Alben wie "Faith" (1987) und "Listen Without Prejudice" (1990) mehr als erfolgreich emanzipierte. Der mit Songs wie dem Funk-Knaller "I Want Your Sex" oder gefühlvollen Balladen wie "Careless Whisper" zum erwachsenen Sex- und Soul-Symbol wurde. Der sein peinliches öffentliches Outing bei einer Festnahme durch die Polizei auf einer Herrentoilette grandios mit dem Video zum Disco-Pop-Hit "Outside" parodierte. Für viele war jenes Ereignis im Jahr 1998 der Wendepunkt in Michaels Leben. Danach, hieß es immer wieder, habe er wie befreit gewirkt.

Fakt ist aber auch: Sonderlich produktiv war der Künstler auch danach nicht mehr. Sein für lange Zeit letztes Studioalbum "Patience" war bereits 2004 erschienen. Die Dance-Pop-Single "White Light", die er 2012 auch zur Abschlussfeier der Olympischen Spiele in London performte, war sein letzter Hit. Im September 2012 gab er im Rahmen einer Wohltätigkeitsgala gegen Aids im Palais Garnier in Paris ein weiteres Konzert. Er wurde von einem Symphonieorchester begleitet und präsentierte dabei Songs aus seinem neuen Album "Symphonica", das sein letztes sein sollte.

Im Juli 2012 gab George Michael zu Protokoll, die Arbeit an "White Light" habe ihm neue Energie gegeben, und er hoffe, noch im Herbst ein Album mit völlig neuen Songs veröffentlichen zu können, "wenn ich mich wirklich reinhänge". Im September 2012 dann erklärte er in einem Interview, dass die Arbeit "gut vorangehe". Es sei sein "radiofreundlichstes Album seit langer Zeit" und "sehr optimistisch", so Michael, "Ich habe noch keinen Titel, aber ich denke, dass es Anfang nächsten Jahres rauskommt". Zur Veröffentlichung kam es jedoch nie, bis heute hat niemand das Material von damals gehört.

Womöglich wurde George Michael auch durch seinen Gesundheitszustand daran gehindert, das Album fertigzustellen. Eine gewisse Sorge schien berechtigt, vor allem nach der schweren Lungenentzündung von 2011. Nach der Genesung folgten Rückschläge. Auf seiner Website schrieb Michael 2012: "Seit meiner Krankheit letztes Jahr habe ich erfolglos versucht, das Trauma zu überwinden, von dem die Ärzte, die damals mein Leben retteten, mich gewarnt hatten". Ihm sei geraten worden, sich auszuruhen, er habe hingegen "fälschlicherweise angenommen, dass Musik zu machen und für sein Publikum aufzutreten die beste Therapie seien".

Ein Zeichen von unbekümmerter Sorglosigkeit oder doch von ungesundem Starrsinn? Beides konnte man dem späten George Michael kaum absprechen. Er bekannte sich zu seinem Haschisch-Konsum, 2007 verlor er nach einem Drogentest seinen Führerschein. Das habe er verdient, hatte er in einem Interview mit dem "Guardian" eingeräumt: "Ich hatte etwa eineinhalb Jahre Probleme mit Schlaftabletten, und ich hab's total versaut." Aber auch damals tat er die Sorge um seine Gesundheit ab, verbat sich gut gemeinte Ratschläge, etwa von seinem großen Idol und Freund Elton John: "Er wird nicht glücklich sein, bis ich mitten in der Nacht an seiner Tür klopfe und sage 'Bitte, bitte, hilf mir, Elton. Bring mich in die Entzugsklinik.' Das wird nicht passieren."

Michaels absolute Offenheit – auch bei Fragen nach seiner Homosexualität – verblüffte immer wieder. Seit seinem aufsehenerregenden Outing, den Drogen-Schlagzeilen und anderen Skandälchen, so gab er 2009 zu, fühle er sich "normaler". Die Rolle als Sex-Symbol und perfekte Projektionsfläche wollte er nicht länger spielen. "Ich glaube, dass die Leute nicht mehr so neidisch sind, wenn sie deine Schwächen sehen", erklärte Michael. "Und ich sehe vieles auch nicht mehr als Schwäche an. Das ist einfach, wer ich bin."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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