Comedian im Interview

Teddy Teclebrhan über seine Fluchterfahrung, speziellen Humor und Deutschland

14.03.2024, 16.04 Uhr
von Eric Leimann

Skurril, lustig und manchmal etwas seltsam. Teddy Teclebrhan hat einen speziellen Humor, mit dem der Comedian sein Publikum begeistert. Im Interview berichtete der 40-Jährige über seine ungewöhnliche Lebensgeschichte, warum Humor wie Jazz funktioniert und weshalb er ein gutes Gefühl für die Zukunft von Deutschland hat.

Mit seiner Show füllt der schwäbisch-eritreische Entertainer Teddy Teclebrhan mittlerweile die größten Hallen des Landes. Dabei hat der heute 40-Jährige, der als Baby mit seiner vor dem Bürgerkrieg geflüchteten Familie nach Südwestdeutschland kam, eigentlich einen eher seltsamen, ja sperrigen Bühnenhumor. Wer die opulenten Liveshows des singenden, tanzenden und natürlich skurrile Dinge sagenden und tuenden Teddy Teclebrhan noch nicht kennt, kann dies jetzt vom heimischen Sofa aus nachholen.

Am Dienstag, 20. Februar, laufen bei Amazon Prime Video die beiden ersten Episoden von "Die Teddy Teclebrhan Show". In den beiden Wochen danach geht es mit Doppelfolgen weiter. 

prisma: Ihre Amazon-Show schreckt nicht vor Größe zurück. Sie treten mit Liveband in einer voluminösen Halle mit viel Kulisse auf. Ist es schwer, Ihren verschrobenen Humor in diesem Rahmen rüberzubringen?

Teddy Teclebrhan: Nein, eigentlich nicht. Ich mache hier nichts anderes als in meinen Live-Shows. Auch die Band ist die gleiche, viele Elemente ebenfalls. Was anders ist: Das Timing einer Show für die Kamera ist nicht auf zwei bis drei Stunden ausgelegt, sondern auf halbstündige Episoden. Ich mag großes Entertainment mit viel Musik, Pyro und andere Knalleffekte.

prisma: Das heißt, Sie lassen sich Ihre Auftritte auch einiges kosten. Ist das noch wirtschaftlich?

Teclebrhan: Ich stehe halt auf Show. Und darauf, die Leute zu überraschen. Ich arbeite gern kompromisslos.

"Mein Humor ist wie Jazz"

prisma: Was heißt für Sie "kompromisslos"?

Teclebrhan: Dass ich etwas organisch entstehen lasse, vom einen Moment zum nächsten. Ohne, dass ich mich ständig frage: Macht das Sinn? Ich gehe voll aufs Gefühl – und dann entstehen Dinge, die ich selbst so nicht vorhersehen kann. Ich mache mein Ding sehr intuitiv.

prisma: Viele Komödianten ziehen ihr Ding auf der Bühne sehr geplant durch. Geschriebene Witze, Punchlines, exaktes Timing. Ist Ihr Humor improvisiert?

Teclebrhan: Mein Humor ist wie Jazz. Es existiert ein Thema, eine Idee. Damit beginne ich, dann folgt viel Improvisation. Jazz hat mich als Musik immer am meisten fasziniert: Rhythmuswechsel, verrückte Themenwechsel, überraschende Übergänge. Ich begebe mich während einer Nummer selbst auf der Suche – oft zusammen mit dem Publikum. Das, was dabei herauskommt, ist für mich die Überraschung – und auch das, worauf ich stehe. So habe ich schon gelebt und mich geäußert, auch als die Bühne noch kein Beruf für mich war. Ich habe einfach "entertaint" und Geschichten erfunden.

prisma: Es gibt in Ihrer Show durchaus nachdenkliche Momente. Sie thematisieren Ihre eritreische Herkunft und das Aufwachsen im Schwabenland. Ist die Suche nach Heimat Ihr Kernthema?

Teclebrhan: Es fällt mir auf jeden Fall leicht, darüber zu reden. Ich glaube auch, dass wir alle auf der Suche nach Heimat sind. Sich zu Hause zu fühlen, ist eines der schönsten Gefühle, die es gibt. Und ich finde es schön, darüber sprechen zu können.

"Wir schauen viel zu wenig nach innen"

prisma: Sie haben offenbar auch das Bedürfnis, sich mit den Gästen Ihrer Show darüber auszutauschen. Das erinnert zum Teil fast an eine Selbsthilfegruppe in Sachen "Suche nach Heimat". Für eine Comedy-Show durchaus ungewöhnlich ...

Teclebrhan: Ja, das trifft es ganz gut. Ich habe ein starkes Bedürfnis, mit Leuten darüber zu reden. Die Comedy selbst ist für mich ein Stück weit, als würde ich Heimat erschaffen. Ich versuche ja, Menschen über die Show miteinander zu verbinden. Egal welchen ethnischen Hintergrund, welche Religion, welches Geschlecht sie haben. Wir sind alle Menschen und es gibt so vieles, das uns miteinander verbindet. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, sich das klarzumachen. Wir schauen viel zu wenig nach innen. Man spricht zu wenig über das, was einen beschäftigt – über die Ängste, Unsicherheiten, Zerrissenheit.

prisma: Sehen Sie sich als "Role Model"?

Teclebrhan: Das weiß ich nicht, aber ich mag es, über meine Herkunft und Geschichte zu reden. Das Reden darüber befreit. Das Zentrum meiner Show ist die Kulisse vom "Stotzenhof". Es ist das Jugendhaus, in dem ich aufgewachsen bin. Eigentlich ist es ein Hof auf dem Land und daneben war eine ziemlich heruntergekommene Baracke, in der wir Räumlichkeiten hatten. Es war ein Ort, an dem viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammenkamen – und dort sein durften. Die Sozialpädagogen, die dort arbeiteten, machten uns die Tür auf und sie haben all unsere Probleme mit offenen Armen angenommen. Sie schauten genau hin, obwohl es kulturmäßig Welten waren, die da teilweise zwischen den Leuten lagen. Dieser Ort und die Erfahrungen dort haben mich stark geprägt.

prisma: "Stotzenhof" steht auch in großen Lettern über Ihrer Bühnenkulisse. Möchten Sie den Pädagogen von damals "danke" sagen?

Teclebrhan: Das auch, denn die haben uns nicht nur zugehört, sie haben auch alle Anträge, Bewerbungen und andere schwierige Sachen mit uns gemacht. Leider wurde der "Stotzenhof" vor kurzem abgerissen, was ich sehr traurig finde. Aber gut, die Räume waren damals schon sehr baufällig. Was ich mit dem "Stotzenhof" auf der Bühne deutlich machen will: Es gibt ganz viel Liebevolles und Schönes hier. Und ich habe das Gefühl, dass das stärker gezeigt werden muss.

"Es gibt eine Mehrheit von Menschen, die schwer in Ordnung sind"

prisma: Mit "hier" meinen Sie Deutschland?

Teclebrhan: Ja, im Großen wie im Kleinen. Ich bin als Baby aus Eritrea nach Deutschland gekommen. Geflüchtet vor dem Bürgerkrieg. Ich finde, Deutschland ist ein extrem schönes und wertvolles Land mit ganz vielen wunderbaren Menschen.

prisma: Es gibt die Tendenz der Deutschen, sich selbst schlecht zu reden und eher auf das Negative hinzuweisen ...

Teclebrhan: Es existieren Gründe dafür, warum Gesellschaften so sind, wie sie sind. Es gibt eine deutsche Geschichte und die ist verantwortlich dafür, warum wir so kritisch mit uns umgehen. Aber hinter der Geschichte gibt es ja immer noch den Menschen. Der sehnt sich danach, Gutes zu tun, zu helfen, zu umarmen und umarmt zu werden. Natürlich existiert auch eine Dynamik, die antrainiert ist: Dass man motzt, dass man anderen Dinge nicht gönnt, dass man alles immer klar einordnen muss. Aber das gibt es in jedem Land – nur eben immer in einer etwas anderen Form. Ich merke, dass es in Deutschland wegen der Geschichte schwer ist, über Schönheit zu sprechen. Aber das ist okay für mich.

prisma: In Deutschland erleben wir gerade einen beängstigenden Rechtsruck. Fürchten Sie sich vor der aktuellen Entwicklung?

Teclebrhan: Nein, Angst spüre ich nicht. Komischerweise habe ich totales Vertrauen in Deutschland und seine Gesellschaft. Es gibt eine Mehrheit von Menschen, die schwer in Ordnung sind, aber bisher einfach still waren. Ich glaube daran, dass sich alles zum Guten wendet. Bestimmte Dinge müssen manchmal lauter werden, damit man reagiert. Man sieht ja, wie viele Menschen nun auf die Straße gehen.

"Es ist auch etwas, das Deutsche sehr gut können"

prisma: Was finden Sie besonders Deutsch an sich selbst?

Teclebrhan: Ach, das sind Dinge, die werden einem immer dann bewusst, wenn man im Ausland ist. Zum Teil ist es die Art und Weise, wie ich mit Dingen umgehe. Ich versuche, Ereignisse und Erlebnisse in der Rückschau sachlich zu betrachten und rational zu analysieren. Ich glaube, das ist eine sehr deutsche Methode. Es ist auch etwas, das Deutsche sehr gut können: Situationen klar sehen und damit umgehen.

prisma: Sie sind nicht nur Deutscher, sondern auch Schwabe, was Sie auf der Bühne stark einsetzen. Was löst das Schwäbische emotional in Ihnen aus?

Teclebrhan: Das sind auch Heimatgefühle, die ich empfinde. Wenn ich irgendwo Schwäbisch höre, habe ich das Bedürfnis, zu den Leuten hinzugehen und mit denen zu "schwätzen". Aber das geht mir auch so, wenn ich Tigrinya höre. Ich liebe die Natur in Schwaben schon sehr, deshalb fahre ich immer gerne dorthin. Es ist toll, in eine schwäbische Bäckerei zu gehen oder mit älteren Leuten zu reden. Die Omas und Opas von meinen Freunden dort, die noch den Krieg mitbekommen hatten, haben mir als Kind ganz viel Liebe und Offenheit geschenkt. Von denen wurde ich herzlich aufgenommen. Das waren sehr wertvolle Erfahrungen.

prisma: Wann ist Ihre Familie nach Deutschland geflüchtet?

Teclebrhan: 1985, damals gab es eine große Flüchtlingswelle aus Eritrea nach Deutschland. Viele Deutsche sind in die Flüchtlingsheime gekommen und wollten helfen. Viele haben Patenschaften für Kinder von geflüchteten Familien übernommen und sie teilweise begleitet, bis sie erwachsen waren.

"Jede Gesellschaft hat ihren Humor"

prisma: Was an Ihnen ist Eritreisch?

Teclebrhan: Meine Gelassenheit, das Gottvertrauen.

prisma: Sind Sie religiös?

Teclebrhan: Auf eine gewisse Art schon. Eritrea ist sehr christlich und muslimisch geprägt. Gottvertrauen spielt eine große Rolle, und das habe ich natürlich auch mitbekommen. Ich wurde christlich erzogen, aber es würde sich heute komisch anfühlen, wenn ich sage: Ich bin Christ. Aber ich glaube ans Leben und das Gute in uns.

prisma: Gibt es einen eritreischen Humor?

Teclebrhan: Jede Gesellschaft hat ihren Humor. Man muss die Regeln einer Gesellschaft kennen, um sie brechen zu können. Genau das passiert nämlich im Humor. Wenn ich Tigrinya spreche, dann ändert sich meine Körperhaltung, ja sogar mein Körpergefühl. Letztendlich sind es menschliche Dinge, die wir lustig finden – überall auf der Welt.

prisma: Hatten Sie am Anfang Ihrer Karriere Probleme damit, dass das Publikum Ihren sehr eigenen Humor versteht?

Teclebrhan: Die, die meine Videos kannten, als ich anfangs auf Tour ging, die haben das schon damals verstanden. Sie kamen ja auch deswegen. Wenn ich aber anderswo auftrat, bei Leuten, die mich nicht kannten, sah ich früher schon viele Fragezeichen in den Gesichtern. Ich habe das heute manchmal immer noch, wenn ich ins Publikum schaue und jemand hat jemanden mitgebracht. Die gucken dann nach dem Motto: Hey, was macht der da? Aber die frage ich dann, ob sie die Tickets geschenkt bekommen haben.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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