"Es liegt eine Freiheitsberaubung vor"

Zahlreiche Tönnies-Mitarbeiter laut "Monitor" zu Unrecht in Quarantäne

Vier Wochen lang befanden sich zahlreiche Tönnies-Arbeiter in Quarantäne – doch viele mussten auch danach noch zu Hause bleiben: Wie ein Beitrag des ARD-Magazins "Monitor" zeigt, wurden offenbar Fälschungen vorgelegt, um sie weiterhin in Quarantäne festzuhalten.

Der Skandal um den Fleischfabrikanten Tönnies zieht immer weitere Kreise. Mehrere Wochen nach dem Corona-Ausbruch bei Mitarbeitern des Betriebs im Kreis Gütersloh sorgen nun die Maßnahmen zur Infektions-Eindämmung für Irritationen. Wie Reporter des ARD-Polit-Magazins "Monitor" herausgefunden haben, befinden sich aktuell mehrere Tönnies-Mitarbeiter zu Unrecht in Quarantäne. Den Recherchen zufolge wurden die Quarantänezeiten der Beschäftigten immer wieder verlängert, und zwar, wie die aktuelle "Monitor"-Ausgabe (Ausstrahlung 30. Juli, 21.45 Uhr, ARD) zeigt, völlig grundlos.

Eigentlich hätte die ohnehin schon lange vierwöchige Quarantänezeit am 17. Juli enden sollen, doch bei vielen, vorwiegend aus Südosteuropa stammenden Werksbeschäftigten wurde diese verlängert. Der "Monitor"-Redaktion liegen "zahlreiche wortgleiche Quarantäne-Anordnungen" vor, in denen von "positiven Corona-Tests und Krankheitssymptomen die Rede" sei. Allerdings handele es sich dabei nur um Musterschreiben des Kreisgesundheitsamts, die sich als falsch herausgestellt hätten. Zudem seien zahlreiche Mitarbeiter in Quarantäne geschickt worden, die Kontakt zu bereits genesenen Infizierten hatten, welche als nicht mehr ansteckend galten.

Diese Schreiben und die Positiv-Bescheide, die auf Deutsch geschrieben waren, hätten vor allem bei den osteuropäischen Beschäftigten für Unsicherheit gesorgt. "Es ist wie ins Gefängnis gesteckt zu werden – aber ohne Urteil", klagte ein Betroffener in dem ARD-Beitrag.

Wie es dazu kommen konnte? Die "Monitor"-Redaktion erhielt auf Nachfrage bei den Städten Rheda-Wiedenbrück und Rietberg die Erklärung, dass es sich um Missverständnisse und Irrtümer handele – eine "gesonderte Überprüfung aller einzelnen Fälle" sei nicht mehr erfolgt.

Ein Skandal, der allerdings noch weitreichende Folgen haben könnte: Volker Brüggenjürgen, Vorstand des Caritasverbandes für den Kreis Gütersloh, erklärt in dem Beitrag, dass die Menschen ein Recht darauf hätten, dass ihre Fälle und die Schreiben "sorgfältig durchgeprüft" werden. Für Professor Sebastian Kluckert handelt es sich sogar um Freiheitsberaubung. "Wenn so etwas vorsätzlich geschieht, also zumindest billigend in Kauf genommen wird, dass Betroffenen die Freiheit entzogen wird, obwohl die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes gar nicht vorlagen, liegt eine Freiheitsberaubung im Sinne des Strafgesetzbuches vor", erklärt der Rechtswissenschaftler.

Ende Juni war bei mehr als 1.500 Beschäftigten des Schlachtbetriebs Tönnies eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen worden. Dies hatte zu einem Lockdown im Kreis Gütersloh (Nordrhein-Westfalen) geführt, aber auch eine Debatte um missbräuchlichen sowie ausbeuterischen Gebrauch von Werkverträgen ausgelöst. Seit Mitte Juli darf der Fleischverarbeiter nach dem verhängten Produktionsstopp wieder schlachten.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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