Thriller bei 3sat

"Unterm Radar": Wie der Rechtsstaat im Angesicht von Terror zerbröselt

von Jens Szameit

Wie weit darf der Staat gehen, um eine konkrete Terrorgefahr abzuwenden? Dieser Debatte nimmt sich der Thriller "Unterm Radar" auf etwas plumpe Art und Weise an.

3sat
Unterm Radar
Thriller • 26.07.2019 • 22:25 Uhr

Selten haben Dreharbeiten solchen Eindruck gemacht. Die Bilder eines ausgebrannten Linienbusses am Gendarmenmarkt schockten im Februar 2015 Berliner Passanten sowie Leser der eifrig berichtenden Hauptstadtpresse. Zu "echt" wirkte dieses Horrorszenario, zu sehr ist allen bewusst, dass die Gefahr eines islamistischen Anschlags auf deutschem Boden eine reale ist. Wie das Sprengstoffattentat im fertigen Film wirkt, lässt sich nun im zugehörigen TV-Thriller prüfen, den 3sat zu später Stunde wiederholt. In "Unterm Radar" (2015) geht es jedoch weniger um den vordergründigen Schrecken als vielmehr um die Katastrophe nach der Katastrophe. Nicht die Angst um Leib und Leben umtreibt den Film von Henriette Buegger (Buch) und Elmar Fischer (Regie), sondern die Sorge um das Zerbröseln des Rechtsstaats im Angesicht der Terrorgefahr.

Deutlich zu plakativ sind die Debattenpositionen nach guten und bösen Protagonisten aufgeteilt. Man darf sich als Zuschauer 90 Minuten lang an eine aufrechte Kämpferin gegen das Unheil klammern und mit ihr mitfiebern.

Christiane Paul spielt die Richterin Elke Seeberg, die es sich nie hätte träumen lassen, dass einmal ein Anti-Terror-Kommando des BKA ihre Wohnung stürmen, sie fesseln, knebeln und verhaften würde. Warum dieser unbescholtenen Bürgerin das angetan wird? Ihre Tochter Marie (Linn Reusse), Studentin der Islamwissenschaften und liiert mit einem Moslem, wird verdächtigt, in den Anschlag am Gendarmenmarkt verwickelt gewesen zu sein. Nun ist Marie verschwunden, und die verzweifelte Mutter soll zwei BKA-Beamten behilflich sein, sie zu jagen.

Was dann folgt, ist in weiten Teilen doch sehr erwartbar: Die schreckliche Presse belagert die Wohnung der "Terrormutter", ihr Vorgesetzter (Hans-Werner Meyer) übt sich in Opportunismus, und irgendwann kommt ein Imam ins Spiel, der für alle, die es immer noch nicht begriffen haben, erklärt, dass der Islam eine friedliche Religion sei, die von Terroristen nur missbraucht werde.

Der eigentliche Konflikt, den der Film erzählen will, wird indes durch die Figuren der beiden BKA-Männer transportiert. Durch einen vom alten Schlag (Heino Ferch), der den Rechtsstaat für schützenswert hält und sich bald auf die Seite der verzweifelten Mutter schlägt. Und durch seinen jüngeren Ex-Partner und neuen Vorgesetzten (Fabian Hinrichs), der von der Weiterbildung in den Vereinigten Staaten ein Faible für grenzwertige Methoden mitgebracht hat. Nachdem die Richterin Seeberg ihre Wohnung von den BKA-Wanzen und versteckten Kameras befreit hat, erfährt sie gar Schreckliches: Offenbar ist ihre Tochter gar nicht auf der Flucht, vielmehr belegen Filmaufnahmen, dass sie von deutschen Beamten verschleppt wurde.

Was sind wir bereit zu tun, um eine konkrete Terrorgefahr abzuwenden? Wie stark wollen wir auf zivile Grundrechte pochen, wenn Leib und Leben Unschuldiger im Fadenkreuz von Attentätern auftauchen? Die Verwerfungen der Weltgemeinschaft konfrontieren die Menschen im 21. Jahrhundert mit schlimmen Dilemmata – allerdings gebietet es die Genauigkeit anzuerkennen, dass der moralische Zwiespalt prinzipiell durch ein jedes Individuum läuft und nicht als äußere Grenze zwischen Gut und Böse.

Zeitgemäße Fiction-Erzählungen tragen dem in ambivalenten Figurenzeichnungen Rechnung, die es in "Unterm Radar" im Dienste der ethischen Klarheit nicht gibt. Auch wenn man der einseitig warnenden Lesart der Filmemacher zustimmen will, wofür es fraglos gute Gründe gibt: Es wirkt am Ende doch etwas plump, wenn das Ganze aufbereitet ist wie ein zeigefingerdidaktischer Beitrag zur politischen Bildung.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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