Krimi im Ersten

"Tatort Rebecca": Ein sehenswertes Stück Fernsehen

11.01.2016, 08.00 Uhr
von Detlef Hartlap
Die 17-jährige Titelfigur Rebecca (Gro Swantje Kohlhof) kniet vor Ermittler Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und erklärt: "Du bist jetzt mein neuer Erzieher!"
BILDERGALERIE
Die 17-jährige Titelfigur Rebecca (Gro Swantje Kohlhof) kniet vor Ermittler Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und erklärt: "Du bist jetzt mein neuer Erzieher!"  Fotoquelle: SWR/Stephanie Schweigert

Dieser Film ist der ultimative Gegensatz zu den beiden Peng-peng-Filmen von Til Schweiger am vergangenen Wochenende.

Der Bodensee-Tatort Rebecca beweist, dass es, um Spannung zu erzeugen, keiner Action bedarf, keines einzigen Schusses und schon gar keiner Pyrotechnik. Das ist keine geringe Sache in einer nervösen, effekthascherischen Zeit wie dieser.

"Rebecca" erzählt von fleißigen Menschen in bürgerlicher Umgebung – Menschen, die ihre Nachbarn für völlig normal halten, die es aber nicht sind.

Der Film handelt von Kindesentführung, Kindesmissbrauch und schlimmster Persönlichkeitsmanipulation. Das alles wird nicht in drastischen Bildern gezeigt, es nistet sich mit den Mitteln herkömmlicher Filmsprache im Kopf des Betrachters ein. Gute Filme kommen mit weniger aus; auch dafür ist "Rebecca" ein Lehrstück.

Zur Sklavin abgerichtet

Ein Mädchen dieses Namens ist als Zweijährige entführt worden. Von ihrem "Erzieher", wie er sich nannte, wurde sie zur Sklavin abgerichtet. Das ihr auferlegte Regelwerk musste sie auswendig lernen, bis es zum absoluten Maßstab ihres Seins wurde. Der Zuschauer ahnt, wie es zugegangen sein muss, wenn sie einmal gegen die Gesetze des Erziehers verstieß.

Der Film beginnt mit seinem Tod. Er ist gestürzt, liegt leblos vor seinem schmucken Schwabenhäuschen, und Rebecca handelt, wie ihr für einen solchen Fall befohlen: Sie zündet ihn an und will auch sich verbrennen.

Dass sie gerettet wird, stellt die Polizei über die üblichen Ermittlungen hinaus vor ein Problem: wie umgehen mit dieser jungen Findlingsfrau, die sich jeder Befragung verschließt? Kann man ihr, einem weiblichen Kaspar Hauser, das Sprechen beibringen?

Perlmann als "neuer Erzieher"

Oder vermag die Psychologin Dr. Schattenberg (Imogen Kogge) Licht ins Dunkel der gequälten Seele zu werfen? Das Problem wird nicht geringer, als sich Rebecca, deren Identität und Entführung vor 15 Jahren alsbald geklärt sind, dem verdatterten Kommissar Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) vor die Schuhe wirft und erklärt: "Du bist jetzt mein neuer Erzieher!"

Klar, dass Perlmann diese Rolle annehmen muss, sonst fände der Film nicht zu seinem Thema. Das lautet: Wie nahe darf ein Ermittler einer Zeugin kommen? Wo liegen die Grenzen, die der Polizei in einer solchen Situation gesetzt sind? Kann Perlmann die therapeutischen Vorgaben der Psychologin übergehen, wenn ihm das Erfolg versprechend erscheint?

Bald kracht es heftig zwischen Dr. Schattenberg und Perlmann und zwischen Perlmann und seiner mütterlichen Chefin Blum (Eva Mattes). Das ist nicht immer überzeugend gespielt, besonders Imogen Kogge gelingt es nicht, ihrer fachlichen Autorität Format zu verleihen. Auch Eva Mattes bleibt ungewohnt matt.

Starkes Spiel von Gro Swantje Kohlhof

Ein sehenswertes Stück Fernsehen ist "Rebecca" trotzdem. Das liegt vor allem an Gro Swantje Kohlhof in der Titelrolle. Sie beginnt als roboterhaft gepolte Kindfrau und endet in einer Zeit langsamen Erwachens – ein Hoffnungsschimmer. Sie berührt sehr.

Schon im besten Bremer Tatort seit ewig, "Die Wiederkehr", hatte sie als Straßengöre mit Sehnsucht nach Familienanschluss eine Kostprobe ihres enormen Potenzials geliefert.

Und dann ist da noch Klaus Manchen, den wir als halbseidenen Vater von Charly Hübner im Rostocker Polizeiruf kennen. Hier darf er in Abgründe vorstoßen, deren wir im Fernsehen selten ansichtig werden. Dazu bedient er sich seiner Mimik, nichts weiter. Aber es reicht, das Grauen zu lehren.

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