37°-Reportage

"Mein Wille geschehe": Fluch und Segen der modernen Medizin

von Andreas Schoettl

Der an ALS erkrankte Benedict Maria Mülder hat sich immer zum Leben bekannt, als er das noch konnte. Seit Jahren liegt er bewegungslos in seinem Bett. Die Anzahl derer, die ohne permanente Intensivpflege nicht überleben würden, steigt. Doch ist ein Dasein in einem Körper, der doch unheilbar krank ist, wirklich ein Segen?

ZDF
37°: Mein Wille geschehe
Dokumentation • 11.08.2020 • 22:15 Uhr

Es begann kaum auffällig. Zunächst waren es nur zunehmende Wadenkrämpfe, die Benedict Maria Mülder plagten. Wie der Journalist und Mitbegründer der "taz" in einem Artikel einmal selbst beschrieb, folgten "Stolpereien ohne Grund. Ich fiel hin. Muskelspiele, die unter die Haut gingen, Faszikulationen bildeten die nächste Etappe. Das war im Jahr 2008."

Der 65-Jährige ist unheilbar an Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) erkrankt. Das ist dieselbe Krankheit, die auch der Physiker Stephen Hawking hatte. Sie führt zu einer totalen Bewegungsunfähigkeit. Und so liegt Würger nunmehr seit Jahren da – reglos in einem Pflegebett im Wohnzimmer seiner Familie.

In seinem Film "Mein Wille geschehe", der nun im Rahmen von "37°" im Zweiten zu sehen ist, geht der Autor Max Damm der Frage nach, wie weit eine moderne Medizin wohl gehen dürfe. Würger indes ist ein eigentlich todgeweihter Patient, der als bekennender Christ jedoch zum Leben steht. Und sei es noch so schlimm. Heute ist er völlig passiv und reagiert nicht mehr auf Ansprache. 2016, als er noch kommunizieren konnte, hatte er noch klar gesagt: Dieses Leben sei für ihn lebenswert. Ob er das heute immer noch so empfindet? Das wissen weder seine Frau noch seine Freunde.

Mülders Bekenntnis zum Dasein jedoch bleibt eindeutig. Das bestätigt auch seine Frau Dagmar. Sie sagt: "Es war uns klar, dass wir uns immer für das Leben entscheiden." Das Leben der Familie Mülder findet um den kranken Vater herum statt. Durch das Pflegebett im Wohnzimmer hat er Anteil am Leben.

Andere Menschen hingegen kommen ins Grübeln, wenn es darum geht, dass nur noch moderne Medizin einen eigentlich unheilbar kranken Körper am Leben erhält. Johannes Kalbhenn beispielsweise: Der Oberarzt einer Intensivstation am Universitätsklinikum Freiburg muss beinahe täglich Entscheidungen über das Leben anderer treffen.

Aufgrund fehlender Verfügungen weiß er oftmals nicht, ob manche Patienten, die sich nicht mehr äußern können, überhaupt an lebensrettende Maschinen angeschlossen sein wollen. Kalbhenn hinterfragt die moderne Medizin: "Mit jedem Organ, das wir durch Apparate ersetzen können, wächst die Verantwortung. Ist es überhaupt sinnvoll, das zu tun?"


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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