Johannes B. Kerner im Interview

"Ich glaube, das knallt an allen Ecken und Enden"

von Julian Weinberger

Über mangelnde Beschäftigung kann sich Johannes B. Kerner nicht beklagen. Er moderiert bis zum Jahresende noch zahlreiche Sendungen, darunter das neue Format "Unsere Schätze – Die große 'Terra X'-Show". Auf welche Sendungen er sich besonders freut, verrät er im Interview.

Mit der Charakterisierung als Allzweckwaffe oder Tausendsassa kann Johannes B. Kerner nicht viel anfangen, wie er im Interview betont. Dennoch kommt man ob der schieren Vielfalt der Sendungen, die der Moderator dieses Jahr noch präsentiert, in Versuchung, ihn genau so zu nennen. Von der Spendengala "Ein Herz für Kinder" (Samstag, 7. Dezember, 20.15 Uhr) über eine neue Ausgabe der Quizshow "Der Quiz-Champion" (Samstag, 21. Dezember, 20.15 Uhr) bis zur Silvestersause "Willkommen 2020" (Dienstag, 31. Dezember, 20.15 Uhr) mit Kollegin Andrea Kiewel zum Jahreswechsel – Johannes B. Kerner stellt zum Jahresausklang einmal mehr seine Wandelbarkeit unter Beweis. Spannend wird gewiss auch der einmalige Umzug des ZDF-Erfolgsformats "Terra X" in die Primetime – mit "Unsere Schätze – Die große 'Terra X'-Show" (Mittwoch, 20. November, 20.15 Uhr).

Im Interview erzählt der 54-Jährige, was die Zuschauer in dem "Experiment" erwartet, wie er zu der erneuten Moderation einer Sportsendung steht und wen er sich in dieser Bundesliga-Saison als Meister wünscht.

prisma: Sie moderieren bis zum Jahresende noch fünf Sendungen. Man könnte sagen, es stehen Kerner-Festspiele an. Auf welches Format freuen Sie sich am meisten?

Johannes B. Kerner: Das ist keine einfache Frage. Keine der Sendungen, obwohl ich manche davon schon mehrfach gemacht habe, ist Routine. Das hat damit zu tun, dass ich meinen Job nicht als Kunst, sondern als Handwerk verstehe. So wie ein Tischler zum Beispiel – der muss immer wieder hingehen und das Stück Holz bearbeiten. So ähnlich ist das auch mit dem Handwerksberuf Moderator. Klar, ein neues Projekt wie die "Terra X"-Show ist natürlich ein Leuchtturm und etwas ganz Besonderes. Das ist ein Versuch, Wissenschaft und Unterhaltung miteinander zu verbinden. Aber auch "Ein Herz für Kinder" ist etwas, das für viele Menschen im Advent dazu gehört. Sobald man Zimtsterne und Spekulatiuskekse im Supermarkt kaufen kann, fangen Menschen auf der Straße an, mich auf die Spendengala anzusprechen.

prisma: Ist diese Gala eine Herzensangelegenheit für Sie?

Kerner: Das hat mit einer Grundhaltung im Leben zu tun. Es gibt Menschen, die glauben, sie funktionieren alleine am besten. Dazu gehöre ich nicht. Ich bin jemand, der in einer Gemeinschaft aufblüht. Das kann eine kleine Gemeinschaft wie eine Familie, eine große wie ein Produktionsteam oder eine riesige Gemeinschaft wie eine Fernsehzuschauergemeinde sein. In der Gemeinschaft kann man auch einmal Fehler vertuschen. In der Kirche darf man zum Beispiel mitsingen, auch wenn es nicht ganz so stimmig ist.

prisma: Den Auftakt Ihrer Sendungen macht "Unsere Schätze – Die große 'Terra X'-Show". Was erwartet die Zuschauer?

Kerner: Ein Experiment. Was sind unsere Schätze, haben sich die Kolleginnen und Kollegen gefragt, die die Sendung vorbereitet haben. Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich da auch dazugehört. Was sind herausragende Kulturschätze? Was sind Dinge, die uns noch heute Rätsel aufgeben, die auch noch heute eine Wirkung auf unser Dasein haben? Das können ganz ungewöhnliche Dinge sein, an die man im ersten Moment nicht sofort denkt.

prisma: Zum Beispiel?

Kerner: In den 1990er-Jahre wurde eine römische Reitermaske im Osnabrücker Land gefunden. Die Archäologie weiß mittlerweile, dass diese Maske ein Hinweis auf die Varusschlacht ist, die dort stattgefunden hat. Das stellt uns bis heute viele Fragen, aber erzählt auch etwas über eine Zeit, die auf deutschem Boden stattgefunden hat und über die es noch so viel zu entdecken gibt. Zu diesen Kulturschätzen gehören auch Grimms Märchen, die etwas erzählen, das weit über die einzelnen Textquellen hinausgeht. Das ist eine so wunderbare Zusammenstellung von Märchen, die unser Bild von Geschichten bis heute prägen.

prisma: In welcher Form werden diese Schätze in der Sendung präsentiert?

Kerner: Jeder dieser Schätze wird in der Sendung von einem Protagonisten vorgestellt, und wir haben Prominente zu Gast, die sich in Spielen zu den Themen beweisen. Unter anderem sind Axel Milberg und Franziska von Almsick dabei, und die Gesichter von "Terra X", Harald Lesch und Dirk Steffens, mit denen ich die Sendung machen darf.

prisma: Hat es Sie überrascht, welche Schätze direkt vor unserer Haustüre schlummern?

Kerner: Es ist total verrückt. Wir haben sehr lange darüber diskutiert, was eigentlich ein Schatz ist. Ist zum Beispiel der Mauerfall auch einer oder das schleswig-holsteinische Wattenmeer ein Naturschatz? Irgendwann haben wir beschlossen, wir konzentrieren uns auf zehn wirklich überraschende Dinge, die durch das Wissen der Menschen von damals noch immer unser Leben beeinflussen. Das ist eine irrsinnige Transformation, teilweise innerhalb von mehreren tausenden Jahren bis ins Hier und Jetzt. Dazu die Opulenz der Bildsprache von "Terra X" – ich glaube, das knallt an allen Ecken und Enden.

prisma: Hat Sie die Sendung inspiriert, künftig mehr in Deutschland zu verreisen?

Kerner: Das mache ich ohnehin schon. Für mich ist es im Spreewald genauso interessant wie an der Nordsee, wo ich eigentlich jeden Sommer hinfahre. Dort ist es einfach wunderschön, und es liegt direkt vor der Haustüre. Warum soll man das nicht nutzen? Bei der Lichtstimmung denke ich immer, der Himmel sei so nah, egal ob auf Borkum oder Sylt. Ich mache aber auch Fernreisen. Gerade erst war ich mit meinen Kindern in Südafrika und habe dort außergewöhnliche Erfahrungen in der Natur gesammelt.

prisma: "Unsere Schätze – Die große 'Terra X'-Show" ist eine Mischung aus Wissenschaft und Unterhaltung. In den 1990er-Jahren war die Wissenschaftssendung "Die Knoff-Hoff-Show" ein großer Erfolg. Schwingt ein wenig Nostalgie mit in Ihrer neuen Sendung?

Kerner: Es ist einen Tick anders. "Die Knoff-Hoff-Show" lebte davon, dass wissenschaftliche Experimente zu den Klängen einer Dixi-Kapelle präsentiert wurden und sozusagen Naturexperimente im Reagenzglas nachgespielt wurden. Da gab es zuweilen auch kleinere Explosionen, und das machte die Sendung aus. Bei uns geht es eher um große Ideen oder große Denker wie Johannes Gutenberg. Die Erfindung der beweglichen Lettern hat das Leben und Denken der Menschen für immer verändert und wirkt bis heute. Vieles, was für uns selbstverständlich ist, wäre ohne diesen großen Schatz nicht möglich gewesen.

prisma: Sie scheinen ein ausgeprägtes Interesse in den Bereichen Kultur und Geschichte mitzubringen?

Kerner: Ich habe ein relativ breit gefächertes Interesse. Ich mache eine Silvester-Show am Brandenburger Tor, weil ich Lust auf die Menschen habe und mich die Stimmung begeistert. Man spürt beim Blick in die Gesichter, wie deren Jahr war. Ich liebe aber auch Sport, Unterhaltung und mag Wissenschaft, gehe gerne in Museen, interessiere mich für Kultur und bin ein breit politisch interessierter Mensch. Wenn man das negativ betrachten will, könnte man mich einen Tausendsassa oder Allzweckwaffe nennen, wenngleich ich diese Worte nicht sehr mag. Breit interessiert zu sein ist aber doch nichts Schlimmes! Ich habe die tolle Möglichkeit, durch mein Berufsleben lebenslang zu lernen. Für "Terra X" beschäftige ich mich nun zum ersten Mal mit diesen Schätzen. Für mich ist das Volkshochschule vom Allerfeinsten. Dass ich das machen darf, ist ein großes Glück.

prisma: Diese vielfältigen Interessen spiegeln sich auch in Ihren Sendungen wider. Dennoch vermisst man mit Blick auf Ihre Vita ein Sportformat. Geht es Ihnen ähnlich?

Kerner: Ich habe immer leidenschaftlich gerne Sport moderiert und kommentiert. Kürzlich habe ich für meine Sendung "Bestbesetzung" (beim Streaminganbieter MagentaTV, d. Red.) Jürgen Klopp in Anfield getroffen. Das ist eine echte Talkshow mit Zeit für Fragen und Antworten, ein großer Luxus. Außerdem habe ich sportbegeisterte Kinder, die erfolgreich Leistungssport betreiben. Ich stehe am Wochenende bei ihnen in der Hockeyhalle. Ich genieße auch die Atmosphäre in Stadien wie der Allianz-Arena oder dem Signal-Iduna-Park. Aber ich giere nicht danach, wieder eine Sportsendung zu moderieren.

prisma: Warum nicht?

Kerner: Das klingt ein wenig alt, für die Tatsache, dass ich erst 54 Jahre alt bin, aber ich habe schon so viel erlebt – Olympia, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Champions League. Außerdem bin ich begeisterter Zuschauer und schaue mir von DAZN über Sky bis hin zur Sportschau und dem Sportstudio wirklich alles an. Und als Aufsichtsrat der Stiftung Deutsche Sporthilfe beschäftige ich mich ohnehin auf vielfältige Art und Weise mit dem Thema Sport. Deswegen muss ich nicht zwingend an der Torwand stehen.

prisma: Gemeinsam mit Jürgen Klopp und Urs Meier bildeten Sie bei der WM 2006 in Deutschland ein tolles Trio. Wie war es für Sie, nun Jürgen Klopp für das Interview wiederzusehen?

Kerner: Das Gespräch war für mich nicht leicht, weil wir uns über die gemeinsamen Sendungen hinaus gut kennen. Aber das Besondere am Format "Bestbesetzung" ist, dass wir uns dem Menschen nähern können, ohne gehetzt zu sein. Und mit Jürgen Klopp über alles zu sprechen außer Fußball ist auch keine ganz so leichte Übung. Umso interessanter für den Zuschauer, denke ich.

prisma: Weil wir gerade beim Thema Fußball sind: Der FC Bayern München macht derzeit eine Krise durch. Gibt es dieses Jahr eine spannendere Bundesliga mit einem neuen Meister?

Kerner: Man kann es eigentlich nur hoffen. Ich habe zwar Respekt vor der Leistung der Bayern, aber trotzdem lebt die Bundesliga auch vom Wechsel an der Spitze. Hoeneß tritt ab, Kovac ist weg, es wurde falsch eingekauft im Sommer, und Coutinho wird als Monstertransfer bejubelt, obwohl es vorher in Barcelona überhaupt nicht geklappt hat. Und bei aller Wertschätzung für Borussia Dortmund – warum soll nicht Borussia Mönchengladbach am Ende oben stehen?


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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