"In bester Verfassung"

Keine Islamisten? Dann müssen wir welche erfinden!

von Maximilian Haase

Weil ihre Verfassungschutzstelle in der Provinz wegen Unterbeschäftigung geschlossen werden soll, erfinden die Beamten kurzerhand eine islamistische Terrorzelle.

Ein von YouTubern inszenierter Schein-Suizid ist die größte Herausforderung, der sich zwei in der Provinz abgestellte Verfassungsschützer in der Mini-Serie "In bester Verfassung" (Montag, 17. Juni, 23.55 Uhr im ZDF; schon ab 6. Juni, 16 Uhr, in der ZDF-Mediathek und bei YouTube) stellen müssen. Kein Wunder, dass die Zweigstelle im beschaulichen Niederlützel, einst wegen einer aktiven RAF-Zelle gegründet, nach 40 Jahren schließen soll. Für die beiden Angestellten Mechthild Dombrowski und Paul Horner, die seit Jahren nichts zu tun haben, der Super-GAU: "Sie wollen mir jetzt, zwei Jahre vor der Rente erzählen, dass ich ins verschissene Rostock ziehen soll?", gibt sich eine fantastische Gudrun Landgrebe als leitende Beamtin entsetzt. Und so heckt sie mit ihrem etwas dümmlichen Kollegen, gespielt von Uke Bosse, einen ebenso perfiden wie klugen Plan aus.

Die Mini-Serie "In bester Verfassung" weist schon in den ersten Minuten ohne große Umwege auf, wohin es gehen soll: Deutliche Worte, kantige Charaktere, subtiler Witz und eine gewagte Handlung zeichnen die im ZDF gezeigte Verfassungsschutz-Satire aus. Klarer Fall: Das kann nur ein experimentelles Format sein, in dem sich jemand frei ausprobieren durfte. Und tatsächlich: Autor und Regisseur Joseph Bolz und sein Co-Autor Fabian Siegismund, der als Verfassungsschutz-Referatsleiter Matthias Frings auch eine Rolle übernimmt, waren zuvor vor allem als Internet-Videofilmer tätig – und entwickelten ihr Format als Webserie im TV-Labor "Quantum" der ZDF-Nachwuchsredaktion "Das kleine Fernsehspiel", das bislang für ungewöhnliche Projekte wie "Familie Braun" verantwortlich zeichnete.

Um auf ihrem Posten bleiben zu dürfen, inszenieren Dombrowski und Horner eine islamistische Terrorzelle, jagen Kreuze in die Luft und drehen ein Fake-Bekennervideo. Weil sich Medien und Politik drauf stürzen, geht ihr Plan zunächst auf. Der einzige Ausländer im Ort, der Dönerverkäufer, wird in Zusammenhang mit den Anschlägen gebracht, der Dorf-Rechte lässt seinem Ausländerhass freien Lauf. Und der Bürgermeister (Oliver Kleinfeld)? Er ist "der Politiker, der nichts auslässt, um seine Schäflein aufzuhetzen und auf die böseste Art und Weise zu manipulieren", wie Gudrun Landgrebe zusammenfasst. Die Schauspielerin hält dies für "leider sehr aktuell in dieser Art und Weise. In dieser Erzählweise bringt uns das oft zum Lachen. In der Realität ist das natürlich gar nicht amüsant."

Fürs Internet als achtteilige Serie mit einer Episodenlänge von etwa acht Minuten entwickelt, strahlt das ZDF die wunderbare Polit-Persiflage als etwa einstündigen Zusammenschnitt aus. Zu schnell scheint sie dann auch abgehandelt, die Geschichte um die Verhältnisse in einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt, um rassistische Wutbürger und populistische Bürgermeister, um Fremdenfeindlichkeit und deren Funktion. Zu fix müssen die cleveren Handlungsbögen durchspielt werden – "In bester Verfassung" hätte man sich auch über mehrere längere Episoden vorstellen können. Schließlich gelingt es der Webserie in hübscher Zuspitzung die deutsche Politlandschaft anno 2019 auf den Punkt zu bringen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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