Schauspieler im Interview

Florian David Fitz: "Das wird spannend mit der AfD"

von Marion Genetti

"Wie kann man anständig bleiben in grauenhaften Zeiten?" – Dieser Frage geht der ARD-Fernsehfilm "Kästner und der kleine Dienstag" (Donnerstag, 21. Dezember, 20.15 Uhr, im Ersten) nach. Im Zentrum der Handlung, die im Deutschland der 1930er-Jahre spielt, steht der junge Schriftsteller Erich Kästner, der mit den Repressalien des Nazi-Regimes zu kämpfen hat, sich aber dennoch gegen eine Auswanderung entscheidet.

Verkörpert wird der gefeierte Kinderbuch-Autor von Florian David Fitz, der zuletzt als Darsteller, Regisseur und Drehbuch-Autor von sich reden machte. Im Gespräch verrät der 43-Jährige, warum er nicht die erste Wahl für die Kästner-Rolle war, welche Parallelen er zwischen der Nazi-Zeit und der Gegenwart zieht und mit welchen Büchern er selbst aufgewachsen ist.

prisma: Erich Kästner gilt als Märchenonkel der Nation. Wie war es für Sie, eine so bekannte Persönlichkeit darzustellen?

Florian David Fitz: Im Film spiele ich den jungen Schriftsteller, der ein ziemlicher Rock'n' Roller und Lebemann war. Was mich besonders an ihm fasziniert hat, war, wie er für Kinder schreiben konnte. Er hat sie ernst genommen, obwohl sie sonst eigentlich keine große Rolle in seinem Leben gespielt haben. Und ich fand es spannend, zu zeigen, dass er ein absoluter Pazifist und Moralist war und wie schier unmöglich es im dritten Reich war, moralisch ungeschoren davonzukommen.

prisma: Wie haben Sie sich auf diese Aufgabe vorbereitet?

Fitz: Ich finde, dass Erich Kästner gut in seinen Werken zu lesen ist. Auch die Gedichte verraten viel über seine Persönlichkeit. Zudem hatte ich das Glück, dass meine Mutter mit seinem Ziehsohn befreundet war und dadurch habe ich andere Seiten, auch aus der Münchener Nachkriegszeit mitbekommen. Die haben das Bild für mich vervollständigt.

prisma: Andererseits warteten mit dieser Rolle definitiv einige Hürden auf Sie. Sie sehen nicht aus wie Kästner, und Sie klingen auch nicht so ...

Fitz: Das ist richtig. Ich war definitiv nicht die naheliegende Wahl, um diese Figur zu spielen. Wir haben uns nach einigen Diskussionen bewusst dazu entschieden, dass ich nicht sächseln soll, und wir haben auch keine Augenbrauen angeklebt. Ich bin stattdessen den Schritt in die Abstraktion gegangen und habe versucht, den Kern des Menschen zu zeigen. Deshalb hat es mich wahnsinnig gefreut, dass einer der Anwälte von Kästner nach der Vorstellung meinte, er hätte seinen guten Freund im Film wiedererkannt. Das war mir wichtig, weil die Bedenken schon groß waren. Erich Kästner ist nun mal ein Teil unseres literarischen Gedächtnisses und so etwas wie ein Nationalheiliger.

prisma: Was waren weitere Herausforderungen bei den Dreharbeiten?

Fitz: Als wir die Winterszenen in Wollanzug, Mantel, Hut und Perücke drehen mussten, hatten wir mit extrem hohen Temperaturen in Wien zu kämpfen. Sobald wir nicht mehr im Bild waren fielen sofort die Hosen runter, wir trugen nur noch Shorts und kalte Wadenwickel, um die Hitze einigermaßen ertragen zu können.

prisma: Gab es sonst noch Momente, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?

Fitz: Ja, als wir die Reichskristallnacht gedreht haben und überall Nazi-Flaggen hingen, sah ich plötzlich einen Krankenwagen, der eine alte Frau abtransportierte. Sie war zusammengeklappt, als sie aus dem Haus rauskam und dachte, dass sie zurück in die Zeit versetzt worden wäre. Da habe ich schon mal kurz meinen Kaffeebecher zur Seite gestellt und mir gedacht: Das ist ja keine Fiktion, die wir da drehen, das war alles real. Was mich dabei auch sehr erschreckt hat, ist, dass es durchaus Parallelen zur aktuellen politischen Lage gibt.

prisma: Sehen Sie die momentane Lage so dramatisch?

Fitz: Ja, die Parallelen sind offensichtlich. Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt: Wehret den Anfängen, ohne hysterisch zu sein. Das wird spannend mit der AfD im Parlament. Der Populist hat immer die einfacheren Karten als der Differenzierte. Andererseits: Wenn die Partei einen rechtsstaatlichen Rahmen findet, in dem sie Leute des rechten Spektrums abbildet und vertritt, dann ist das okay. Die vertreten nicht meine Meinung, aber das muss ich aushalten, es ist eine parlamentarische Demokratie. Der Übergang zum verfassungsbedenklichen und rechtsextremen ist aber gleitend, und irgendwie ist man auch nicht sicher, ob es wirklich um Sachthemen geht oder einfach um Aggression. Wir werden sehen. Die Fragen, auf die wir weder damals noch heute eine gute Antwort haben: Wie soll man mit Populismus und Hass umgehen? Soll man es ignorieren? Soll man zurück prügeln?

prisma: Welche Rolle spielt Politik generell in Ihrem Leben?

Fitz: Sie spielt bei uns allen eine zentrale Rolle, ob wir wollen oder nicht. Nur haben viele, und vermutlich gehöre ich auch dazu, ein kindliches Verhältnis zur Politik. Wir haben die Illusion, dass die Demokratie das Allheilmittel ist und wir an der Wahlurne einfach unser Kreuzchen machen. Demokratie ist aber auch ein sehr verletzliches System. Nur weil wir als Volk wählen, ist das noch keine Garantie, dass vernünftig entschieden wird. Hitler wurde schließlich auch demokratisch gewählt. Eine ideale Demokratie geht vom Menschen als grundvernünftigem Wesen aus. Wenn man sich die Weltgeschichte anschaut, sollten einem zumindest leichte Zweifel daran kommen.

prisma: Das heißt, Sie befürworten grundsätzlich, was die Regierung macht?

Fitz: Mir geht es gar nicht um die Regierung. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand Politiker disst, dann frage ich immer: Willst du es lieber selbst machen? Ich möchte das definitiv nicht. Ich finde, man darf schon ein bisschen Respekt haben.

prisma: Hat Sie das Wahl-Ergebnis sehr überrascht oder war das vorhersehbar?

Fitz: Nein, überrascht hat es mich nicht. Ich bin aber immer noch relativ happy weil Deutschland trotz allem ein milderes Bild abgibt als andere Länder. Wir sind noch nicht bei Trump, Kaczynski, Orbán oder Erdogan – und die AfD regiert auch noch nicht, Gott sei Dank.

prisma: Ein berühmtes Kästner-Zitat lautet: "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern." Stimmen Sie dem zu?

Fitz: Ja. Aber mir ist auch klar, dass das leichter gesagt ist als getan. Jeder von uns weiß in seinem Umfeld von Sachen, die nicht in Ordnung sind, ob es nun sexuelle Belästigung oder Mobbing ist. Aber wenn wir befürchten müssen, unsere Karriere komplett zu verlieren, wie viele machen dann den Mund auf? Die Harvey Weinstein-Geschichten kannten viele, aber öffentlich gesagt hat keiner was.

prisma: Zurück zu Kästner. Wie sehr können Sie eigentlich seine Entscheidung nachvollziehen, in Nazi-Deutschland zu bleiben und sich so gut wie möglich zu arrangieren?

Fitz: Es wird oft behauptet, Kästner habe sich kompromittiert, und manche sagen sogar, er habe kollaboriert. Dadurch ist ihm ein Makel geblieben. Was meiner Meinung nach Bullhsit ist. Die Nazis haben Kästner gehasst, weil sie Pazifisten gehasst haben, und jeder Satz, den Kästner geschrieben hat, widerspricht dem Herzen des Nationalsozialismus.

prisma: Hatten Sie selbst als Kind einen Bezug zu Erich Kästner?

Fitz: Absolut. Ich war eine totale Leseratte. Meine erste Sozialisation war Ottfried Preußler, und den kleinen Vampir von Angela Sommer-Bodenburg habe ich geliebt. Ich war regelmäßig in der Jugendbibliothek in München und habe mir dort Gespenster-Bücher geholt. Wenn ich richtig informiert bin, dann hat Erich Kästner diese Bibliothek sogar mitgegründet.

prisma: Lesen Sie auch heute noch gern?

Fitz: Ja. Gerade lese ich den neuen Roman von Daniel Kehlmann, "Tyll", der ist richtig gut!

prisma: Inzwischen schreiben Sie auch selbst ...

Fitz: Ja. So richtig in Fahrt kam das mit dem Drehbuch für "Vincent will Meer". Ein Grund, warum ich mit dem Schreiben angefangen habe, war, dass ich damit die Pausenzeiten, die man als Schauspieler hat, gut überbrücken konnte. Dazu kommt: Mich haben schon immer Geschichten interessiert und das Geschichten erzählen.

prisma: Haben Sie sich eines Tages einfach hingesetzt und geschrieben, oder wie kann man sich das vorstellen?

Fitz: Beim ersten Buch schon. Während der Arbeit zu "Vincent will Meer" bin ich dann zur Münchner Drehbuchwerkstatt gegangen. Über ein Jahr wurde ich begleitet und habe wichtige dramaturgische Mittel an die Hand bekommen. Das hat mir sehr geholfen.

prisma: Könnte das Schreiben irgendwann die Schauspielerei ablösen?

Fitz: Nein, ich denke das wird immer Hand in Hand gehen. Das Schreiben ist extrem zeitintensiv, genauso wie das Regie führen. Das ist mitunter ziemlich frustrierend, und da ist es schön, wenn man noch etwas anderes machen kann.

prisma: Was auch leichter von der Hand geht?

Fitz: Nicht unbedingt. Das Spielen bringt andere Herausforderungen mit sich.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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