"Sandmann, Propaganda und ein Kessel Buntes"

ZDFinfo-Doku: So war das Fernsehen in der DDR

von Maximilian Haase

Vom "Kessel Buntes" bis zum "Schwarzen Kanal": Das Fernsehprogramm in der DDR pendelte zwischen amüsanter Unterhaltung und staatstragender Propaganda. Eine ZDFinfo-Doku zeigt nun, was der TV-Osten zu bieten hatte.

Das Klischee besagt, dass in der DDR jederzeit nur Westfernsehen geschaut wurde – abgesehen natürlich von jenen armen Teufeln, die ein Dasein im berühmten "Tal der Ahnungslosen" um Dresden fristen mussten. In der Tat: Nicht nur konnten die Ostsachsen weder ARD noch ZDF empfangen, auch schaltete der glückliche Rest gelernter DDR-Bürger von "Tagesschau" über "Kennzeichen D" bis "Wetten, dass ..?" kaum andere Sendungen ein als die Zuschauergenossen im Westen. Und doch geht die Erzählung über das millionenfach vollzogene, doch eigentlich untersagte "Westen-Gucken" und das zugleich verpönte und unbeliebte Ostfernsehen so nicht auf. Denn das DDR-TV, es hatte – neben den grauen Berichten über ebenso graue SED-Granden – tatsächlich so einiges zu bieten.

Es gab sie, jene Sendungen, für die der DDR-Mensch vom BRD-Ersten oder -Zweiten zum Deutschen Fernsehfunk (DFF), ab 1972 offiziell "Fernsehen der DDR", wechselte. Welche das waren, und bei welchen Formate man dann doch lieber wieder in den Westen schaltete, zeigt nun die nur am Rande ostalgisch angehauchte ZDFinfo-Dokumentation "Fernsehen in der DDR: Sandmann, Propaganda und ein Kessel Buntes" (Freitag, 7. Juni, 20.15 Uhr).

Selbstverständlich war das DDR-Fernsehen, so wie die anderen Medien des Arbeiter- und Bauernstaates, bis kurz vor seinem Ende nie wirklich frei. Seit der feierlichen Einweihung durch Walter Ulbricht 1956 bestimmten die SED und deren Parteifunktionäre die Gestaltung des Programms, das vor allem der sozialistischen Staatspropaganda dienen sollte. Immer donnerstags, so klärt der informative Film auf, plante das Zentralkommitee den Ablauf des Fernsehprogramms. Und reagierte auf die politische Lage im Land: Gab es gerade keine Bockwürste oder Eier, durften weder Bockwürste noch Eier erwähnt werden. War ein Schauspieler in den Westen gegangen, wurden er und sein Name restlos aus dem Programm gestrichen.

Die Propaganda dominierte zunächst – von den völlig unkritischen Hauptnachrichten der "Aktuellen Kamera" bis zu Karl-Eduard von Schnitzlers berüchtigter Propagandasendung "Schwarzer Kanal", die über die Geschehnisse im kapitalistischen Westfernsehen aufklären sollte, von denen die meisten DDR-Bürger ohnehin bereits wussten. Produziert im Berliner Stadtteil Adlershof, der sich heute auch im West-Fernsehbetrieb als einer der größten hiesigen TV-Produktionsstandorte etabliert hat, wartete das DDR-Fernsehen daneben aber auch mit unterhaltenden, experimentellen und straßenfegenden Formaten auf, die heute noch ihresgleichen suchen.

Da war etwa der "Kessel Buntes", der als Samstagabendshow mit Kabarett-Einlagen, Tanz und Musik unterhielt – und dabei nicht nur internationale Künstler wie ABBA oder Mireille Mathieu auffuhr, sondern anfangs mit dem Moderatoren-Trio "Die drei Dialektiker" auch kritische Töne zuließ. Nachdem diese den DDR-Wohnungsbau kritisiert und für die "Beleidigung der Arbeiterklasse" gerügt worden waren, so klärt die Doku auf, schmissen sie das Handtuch und überließen die Präsentation der Show fortan wechselnden Moderatoren – von denen Helga Hahnemann die wohl beliebteste war. Nach der Wende moderierte, immerhin noch bis 1992, Karsten Speck.

Das Sandmännchen hat überlebt

Überhaupt überlebten nur wenige Formate die Wiedervereinigung. Eine davon war "Außenseiter-Spitzenreiter", präsentiert von einer der großen DDR-Fernsehlegenden: Hans-Joachim Wolfram, verstorben 2016, moderierte die beliebte Show, in der normale Menschen mit ihren besonderen Talenten vorgestellt worden, fast 40 Jahre lang – nach der Wende noch bis 2011 im MDR. Die Ausschnitte, die die Macher der Dokumentation dafür herauskramten, sprechen für sich: Unvergessen, wie Wolfram, nur mit Mikrofontasche bekleidet, Nacktbadende am FKK-Ostseestrand mitten im Hochsommer nach Weihnachtsgeschenken fragte – und anschließend im FKK-Chor Weihnachtslieder sang.

Die wohl legendärste Sendung der DDR war aber wohl das "Sandmännchen" – das in seiner Ost-Version bis heute zu sehen ist und in diesem Jahr sein 60-Jahre-Jubiläum feiert. Mehrere Generationen an Kindern begleitete es samt seiner Freunde Schnatterinchen, Herr Fuchs und Frau Elster und Plumps ins Bett. Eine deutsche Fernsehgeschichte, die der Film mit einem Besuch im faszinierenden Sandmännchen-Archiv ehrt. Da ist sie dann doch, die Sehnsucht nach dem Ostfernsehen – so ambivalent, wie in der sehenswerten Doku beschrieben: Man wollte nach der Wende manche Dinge, heißt es da, "weghaben, und als sie dann weg waren, wurde man ostalgisch".

1989 versuchte das DDR-Fernsehen, sich der neuen Zeit anzupassen. Vorreiter war insbesondere die Jugendsendung "Elf 99", die nicht nur im poppigen Ambiente HipHop-Acts auftreten ließ, sondern während der Wende eine entscheidende mediale Rolle spielte. Die unter jungen Zuschauern beliebteste DDR-Sendung deckte den Luxus der DDR-Bonzen in Wandlitz auf und schaffte es, Politbüromitglied und FDGB-Chef Harry Tisch zum Rücktritt zu bewegen. Noch bis 1994 gehörte "Elf 99", auf verschiedenen anderen Kanälen, zu den innovativsten Jugendformaten seiner Zeit. Das Fernsehen der DDR fand schon fast drei Jahre früher sein Ende: Am Silvesterabend 1991 lief die letzte Sendung, Frank Schöbel sang: "Der Letzte macht das Licht aus, der Laden macht nun dicht".


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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