Interview zum Jubiläums-Film

"Bergdoktor" Hans Sigl: "Es ist ein Luxus, hier leben zu dürfen"

von Amelie Heinz
Familie Gruber bildet das Herzstück der Serie.
Bestehend aus "Bergdoktor" Dr. Martin Gruber, seinem Bruder Hans, Tochter Lilli und Mutter Lisbeth lebt die Familie  zusammen auf dem "Gruberhof" in Ellmau, Tirol.
BILDERGALERIE
Familie Gruber bildet das Herzstück der Serie. Bestehend aus "Bergdoktor" Dr. Martin Gruber, seinem Bruder Hans, Tochter Lilli und Mutter Lisbeth lebt die Familie zusammen auf dem "Gruberhof" in Ellmau, Tirol.  Fotoquelle: ZDF / Stefanie Leo

Seit 2008 läuft "Der Bergdoktor" im ZDF, am Donnerstag, 4. Januar 2018, zeigt der Sender bereits den 100. Film: das aufwendige Winterspecial "Höhenangst" (20.15 Uhr). An Popularität hat die Sendung in all den Jahren nichts eingebüßt, im Gegenteil: Anfang 2017 kletterten die Quoten auf über 21 Prozent – Rekord! Und das liegt zwar nicht nur, aber nicht zuletzt an einer Person: Hans Sigl.

Als Martin Gruber ist er seit Jahren schwer damit beschäftigt, diverse Frauenherzen zu brechen und sich heldenhaft für seine Patienten einzusetzen. Der 48-Jährige schafft es, Jung wie Alt vor den Fernsehern der Nation zu vereinen. Beim Interviewtermin in München gibt der Österreicher zu verstehen, dass er zwar davon überwältigt sei, wenn in der Region Wilder Kaiser, dem Drehort der Serie, mit seinem Gesicht geworben wird, er aber andererseits auch nicht überrascht ist, dass der "Bergdoktor" bei so vielen Leuten beliebt ist. In den Filmen würden eben emotionale Storys erzählt werden, "Der Bergdoktor" sei aber trotzdem nicht nur ein "easy-going" Heimatgeschichte, betont ein selbstbewusster Sigl.

prisma: Seit 100 Folgen sind Sie nun schon der "Bergdoktor". Machen Sie zur Feier des Tages zur Jubiläumsfolge mit den Kollegen ein Fass auf?

Hans Sigl: Wir hatten letztes Jahr schon eine sehr schöne Jubiläumsfeier, als die zehnte Staffel quasi abgedreht war. Wir hauen jetzt nicht jeden Abend auf die Pauke und feiern ein Jahr ununterbrochen durch (lacht). Immerhin müssen wir ja auch irgendwann wieder arbeiten. Vielleicht schauen wir uns aber die 100. Folge gemeinsam an und trinken ein Gläschen Wein dazu.

prisma: Rund 150.000 Personen gefällt "Der Bergdoktor" auf Facebook – die "Hans Sigl"-Seite hat 123.000 Likes, Tendenz steigend.

Sigl: Ja, das ist wirklich erstaunlich. Schauspieler müssen immer viel warten am Set, und Facebook ist seit ein paar Jahren eine willkommene Abwechslung für mich. So kann ich mir die Zeit vertreiben und auch noch Kontakt zu den Fans halten. Ich habe lange Theater gespielt und habe beim Fernsehen anfangs den direkten Austausch ein wenig vermisst. Da war es praktisch, übers Internet ein bisschen mit den Zuschauern interagieren zu können. Jetzt hat sich das alles allerdings schon wieder verändert, bei den Dreharbeiten im Sommer stehen inzwischen gerne mal 500 Menschen vor der Bergdoktor-Praxis und schauen uns beim Arbeiten zu. Ich finde das toll.

prisma: Das Publikum des "Bergdoktors" ist bunt gemischt, das schauen mitnichten nur Damen über 60 ...

Sigl: Bei einem Fan-Treffen war tatsächlich sogar einmal eine Abi-Klasse aus Heidelberg dabei. Ich habe mich gewundert, wieso die einen Schulausflug zum "Bergdoktor" machen. Dann haben sie uns erzählt, dass sie die Fälle, die bei uns thematisiert werden, im Ethik-Unterricht besprechen. Zum Beispiel gab es eine Folge, in der eine schwangere Frau eine Niere hätte spenden müssen. Das ist nun aber medizinisch ziemlich schwierig, weil das Kind gefährdet wird. Wenn sie nicht spendet, steht andererseits ein anderes Leben auf dem Spiel. Das ist eine ethische Frage, die wir da aufwerfen. Es wäre wahrscheinlich auch zu einfach, eine leichte easy-going Heimatgeschichte zu erzählen. Insofern haben sich im Lauf der Zeit die Fälle verändert, sie sind noch komplexer und emotionaler geworden. Und das mögen die verschiedensten Leute.

prisma: Was hat sich für Sie in den letzten zehn Jahren verändert?

Sigl: Naja, ich bin zehn Jahre älter geworden (lacht). In solch einer Zeitspanne verändert man sich zwangsläufig. Zudem glaube ich, dass der Martin Gruber ein bisschen auf mich abgefärbt hat. Insofern, dass man mit Ruhe und Gelassenheit weiter kommt als mit Hektik. Ich denke mir inzwischen oft: Immer schön ruhig bleiben!

prisma: Ihr Lebensmotto?

Sigl: Mein Lebensmotto habe ich von Lenny Kravitz geklaut: "Let love rule!" Die österreichische Variante wäre wohl: "Schee geschmeidig bleiben." Das schreibe ich mir irgendwann mal irgendwo drauf.

prisma: Warum ist "Der Bergdoktor" nach zehn Jahren immer noch so erfolgreich?

Sigl: Dafür gibt's viele Gründe. Einerseits sind die Grubers etwas Besonderes. Das Publikum erlebt sie als eine bodenständige, kleine Familie, bei denen aber nie nur heile Welt vorherrscht, wofür wir am Anfang fälschlicherweise oft gescholten wurden. Bei den Grubers liegt oft etwas im Argen. In der nächsten Staffel kommt endlich auch Martins Onkel Ludwig – gespielt von Christian Kohlund – dazu. Durch ihn ändert sich einiges. Zudem erfährt man in der elften Staffel die wirkliche Hintergrundgeschichte der Familie. Ich glaube, dass das Publikum diese langlaufende Kontinuität zu schätzen weiß. Die Familie ist ihnen vertraut. Die Grubers sind über Wochen jeden Donnerstag zu Gast im Wohnzimmer der Menschen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Das alles funktioniert ganz ohne Blutvergießen. Es geht um emotionale Inhalte. Der Zuschauer hat uns gezeigt, dass er das zu schätzen weiß.

prisma: Der Tourismusverein der Region Wilder Kaiser wurde im Jahr 2013 mit dem Tourismuspreis Tirol Touristica ausgezeichnet. Werden Sie eigentlich an den Einnahmen der Tourismusbranche in dieser Region beteiligt? Das ist immerhin auch der Verdienst des "Bergdoktors" ...

Sigl: Nein, ich bekomme keine Erfolgsbeteiligung für Mehrbuchungen in den Hotels (lacht). Aber ich bin Botschafter der Region Wilder Kaiser und mache das sehr gerne.

prisma: Vielleicht werden Sie ja noch irgendwann Ehrenbürger von Ellmau?

Sigl: Stimmt, Ehrenbürger bin ich noch nicht. Nur Ehrenmitglied im Golfklub, aber vielleicht kommt das ja noch (lacht). Wenn man als Schauspieler mit einer Serie anfängt, weiß man nie, wie sich das Ganze entwickelt. Und plötzlich heißt dann etwas "Bergdoktor-Dorf" oder es hängt da das Gesicht von einem in der Luft und begrüßt die Leute. Das ist wirklich eine große Ehre für mich. Im Sommer gab es ein relativ kurzfristig ausgerufenes Meet and Greet, und da waren rund 3500 Menschen, um sich die Drehorte anzuschauen. Das finde ich schon sehr außergewöhnlich.

prisma: Sind Sie lieber im Sommer oder im Winter in den Bergen?

Sigl: Sowohl als auch. Aber so schön es am Wilden Kaiser ist und ich die Arbeit dort zu schätzen weiß, so gerne fahre ich dann zwischendurch auch mal ans Meer. Ich brauche die Abwechslung. Allerdings wenn ich dann zwei Wochen weg bin vom Berg, denke ich mir immer: Jetzt hätte ich schon wieder Lust drauf.

prisma: Können Sie im Urlaub gut abschalten?

Sigl: Im Urlaub, aber auch in den Drehpausen. Da mache ich immer so Mini-Meditationen. Bei 120 Drehtagen ergibt sich sonst kaum eine Gelegenheit, mal durchzuatmen. Das ist wie ein Marathon. Wenn man erst anfängt, abzuschalten, wenn es einem quasi schon drübersteht, ist es schon zu spät.

prisma: Sie sagen bei Facebook des Öfteren sehr deutlich Ihre Meinung zu kontroversen Themen – gab es schon Konfrontationen mit Fans?

Sigl: Ja, da gab es einiges, da war die Bezeichnung "Depp" noch sehr freundlich. Aber ich finde, auf meiner eigenen Seite darf ich Stellung nehmen, wenn mich etwas bewegt. Mir ist es zum Beispiel wichtig, mich immer wieder gegen Rechts zu positionieren, und das tue ich dann eben auch in den sozialen Netzwerken. Wenn in Deutschland die AfD und in Österreich die FPÖ gewählt werden, muss man das sehr kritisch betrachten. Und hey, ich kann mit Leuten umgehen, die eine andere Meinung vertreten als ich. Aber wenn mir plötzlich der Mund verboten wird, weil die Leute es nicht ertragen, dass ich eine andere Meinung habe, ist das schon sehr merkwürdig. Andererseits merke ich dann, dass ich etwas richtig gemacht habe.

prisma: Schockieren Sie die Umgangsformen in den Sozialen Medien?

Sigl: Naja, ich bin jetzt 48 Jahre alt, und es schockiert mich immer weniger, was auf der Welt passiert. Die Frage ist dann natürlich, wie man damit umgeht. Das heißt manchmal auch, einen Post wieder zu löschen, weil man merkt, dass die Diskussion kein Ende findet. Dann lasse ich es kurz gut sein, bereite aber den nächsten schon vor. Ich werde nie aufhören, mich gegen Rechts zu engagieren. Und das ist auch gut so. Es ist ein Luxus, hier leben zu dürfen, sich keine Sorgen darüber machen zu müssen, ob man genug zu essen bekommt, wo man schläft, wo man wohnt, wo die Kinder zur Schule gehen – das muss man sich jeden Tag vor Augen halten, dankbar und demütig sein.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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