08.04.2024 Arzt-Kolumne

Inkontinenz – was Männer gegen unkontrollierten Harndrang tun können

Von Dr. Julia Fischer
Dr. Julia Fischer moderiert mittwochs um 
20.15 Uhr die SWR-Gesundheitssendung 
„Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der 
Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host 
des neuen ARD Gesund YouTube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen
Dr. Julia Fischer moderiert mittwochs um 20.15 Uhr die SWR-Gesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host des neuen ARD Gesund YouTube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen Fotoquelle: SWR

Jeder Ausflug in die Natur ist ein Glücksspiel für den 78-Jährigen. Seit einer Prostata-OP leidet er an Harninkontinenz, kann nicht mehr steuern, wann er Urin ablässt. Eine große Belastung, die sein Leben stark einschränkt. „Ich muss immer darauf achten, dass ich nach zwei oder zweieinhalb Stunden eine vernünftige Toilette finde, wo ich meine Einlagen wechseln kann. Das ist das Problem“, erklärt er in meiner Sendung. Lange Wanderungen im Wald, die er früher gerne gemacht hat, sind daher leider nicht mehr möglich.

Harninkontinenz wird häufig als Frauenleiden wahrgenommen, doch besonders im höheren Alter stimmt das nicht, auch viele Männer sind betroffen, zurzeit rund 2,5 Millionen in Deutschland. Bei jüngeren Betroffenen liegen meist neurologische Ursachen zugrunde wie eine Querschnittslähmung. Im höheren Alter können Prostata-Vergrößerungen zu Drang- oder Blasen-Entleerungsstörungen führen – und nach Prostata-Operationen ist eine Harninkontinenz möglich. So wie beim 78-Jährigen aus meiner Sendung. Er geht mittlerweile offen mit seiner Erkrankung um. Anders als die meisten, die sie aus Schamgefühl verschweigen. Doch es ist nicht immer einfach, mit der Krankheit zu leben. „Es gibt manchmal Momente, wo ich merke, jetzt geht was in die Hose. Und dann kippe ich mir ein bisschen Bier über die Hose und sage: Ich muss jetzt mal zur Toilette. Das ist kein Witz, das kommt vor. Hört sich lustig an, ist aber gar nicht so lustig. Es ist eben belastend.“

Spezialisierte Zentren bieten verschiedene Möglichkeiten, um Männern mit Harninkontinenz zu helfen. Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Eine genaue Diagnose ist daher wichtig. Die Behandlung reicht von Physiotherapie über Medikamente, Botox, Operationen mit Bändern bis hin zu einem künstlichen Schließmuskel, der operativ eingesetzt wird. Letzterer gilt derzeit als Goldstandard bei lang bestehender Inkontinenz. „Also es ist sicherlich so, wenn wir die Inkontinenz-Ursache finden, können wir in 98 Prozent der Fälle wirklich helfen, dass die Inkontinenz entweder ganz verschwindet oder so gut im Griff ist, dass die Lebensqualität wieder zurückgewonnen wird“, sagt Professor Dr. Daniela Schultz-Lampel vom Kontinenzzentrum Südwest in meiner Sendung.

Der 78-Jährige hat sich gegen eine solche Operation entschieden. Seine Ärzte gehen davon aus, dass bei ihm die Inkontinenz – wie in vielen Fällen nach einer Prostata-OP – mit der Zeit zumindest weniger werden sollte. „Die Hoffnung hat man mir nicht gemacht, dass es ganz weg ist. Ich muss wahrscheinlich bis zu meinem Lebensende mit ein, zwei Tropfen in der Hose leben.“ Das hofft er mit speziellen Einlagen kompensieren zu können, um irgendwann doch wieder lange Wanderungen zu unternehmen

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